Willkommen zu Georg´s Brave GNU World. Diese Ausgabe widme ich vornehmlich den legalen Aspekten Freier Software, da das weltweite Bemühen der Gesetzgeber, neue Computer-Gesetze für das "Informationszeitalter" zu schaffen, ein bedenkliche Richtung einschlägt. Jüngste Beispiele sind die Entwicklungen in Australien und die Pläne eines europäischen Patentschutzes für Programmkonzepte. Auch wenn die Argumentation sich hier sehr stark auf Europa bezieht, so gelten die angesprochenen Tatsachen doch weltweit.
Lizenzen und Patente
Um klar zu machen, warum die für Europa angestrebte Patentierbarkeit von Programmkonzepten nicht nur unsinnig sondern sogar gefährlich ist, beginne ich am besten bei der "Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuß", die im Internet abrufbar ist [4].
In dieser Mitteilung heißt es, die fehlende Patentfähigkeit von Programmierkonzepten sei die Ursache für eine Schwächung des Binnenmarktes, denn durch sie fehle die juristische Grundlage zur Verfolgung von Lizenzverletzungen durch "nicht genehmigte Kopien" bzw. durch "unerlaubte Benutzung".
Um das neue Medium in altbekannten Begriffen zu vermitteln, wird nun sehr gerne - so auch in oben genannter Mitteilung - der Vergleich von Programm-Quellcode mit Büchern herangezogen. Der Vergleich mag hinken, ist jedoch in mancher Beziehung zutreffender als vielen Leuten klar ist. Tatsächlich entwickeln Programmierer eine Stilvielfalt, die der von Buchautoren nicht unähnlich ist. Nun ist jedoch auch aus diesem Grunde das individuelle Programm durch das Urheberrecht dem literarischen Werk gleichgestellt und bedarf per Definitionem nicht der Patentierung. In der Mitteilung wird dies übrigens erst aus Fußnote 6 in Paragraph 3.2.2. ersichtlich; während im Text von der "Patentierung von Programmen" die Rede ist, wird dort klargestellt, daß sich Patente auf die Idee hinter dem Programm beziehen.
In der Studie werden Probleme bei der Durchsetzung des Urheberrechts einem fehlenden Patentschutz angelastet und benutzt, um diesen zu fordern. Die Kommission empfiehlt, Programmierkonzepte patentierbar zu machen, sofern diese eine Neuerung darstellen. Auf die Buchanalogie angewendet bedeutet dies, ein einzelnes Buch unterliegt dem Urheberrecht, gefordert wird ein Patentrecht für literarische Genres.
Es ist ausdrücklich erklärtes Ziel der Politik, die Innovation zu fördern. Ob es die Innovation in der Literatur gefördert hätte, wenn beispielsweise George Orwell ein Patent über "Bücher die einen möglichen repressiven Staat beschreiben" zugesprochen worden wäre, darf bezweifelt werden.
Wenn das Parlament dieser Empfehlung Folge leistet und ein solches Patentrecht zustande kommt, wird es in der Praxis notwendig werden, zu entscheiden, wann eine Patentrechtsverletzung vorliegt. Da aber Lösungen für ähnliche Probleme durch die individuelle Note des Programmierers sehr unterschiedlich ausfallen können, ist es selbst für Profis manchmal unmöglich zu entscheiden, ob es sich um ein neues oder nachempfundenes Konzept handelt. Dies führt dazu, daß solche Streitigkeiten maßgeblich über das Honorar des Anwalts entschieden werden, was einer Monopolisierung zugute kommt und kleinen Firmen die Existenzgrundlage entziehen kann.
In den USA gibt es diese Patentgesetze bereits und es ist gut möglich, daß auch deshalb Firmen wie Secure Shell [5] nach Europa abgewandert sind. Daß die Firma Microsoft als leuchtendes Positivbeispiel für den Sinn von Patenten angeführt wird, muß in diesem Zusammenhang angesichts des Prozesses wegen Monopolbildung nicht mehr kommentiert werden.
Es liegt in der Natur des Mediums, daß oftmals der aktuelle Entwicklungsstand neue Probleme aufwirft, welche von mehreren Leuten annähernd gleichzeitig entdeckt und gelöst werden. Normalerweise führt dies zu einem Wettstreit der Programme, den jeweils nur ein oder zwei Projekte überleben. Deren Qualität wird jedoch durch den Wettbewerb immens gesteigert und den tatsächlichen Bedürftnissen angepasst. Diese parallele Evolution ist ein wesentlicher Faktor für eine stabile und gesunde informationelle Infrastruktur.
Bereits das Urheberrecht führt in seinen Auswirkungen zur Abgrenzung und zum gegenseitigen Mißtrauen, doch eine Einführung von Softwarepatenten würde einen vielfach stärkeren Effekt haben. Dadurch wird einerseits ein Großteil der verfügbaren Resourcen auf die Abgrenzung von der Konkurrenz, bzw. deren Überwachung verschwendet und andererseits müssen Standardprobleme von jeder Firma aufs Neue gelöst werden. Diese Verschwendung von Resourcen ist gerade angesichts des Mangels an Fachleuten ein enormer Hemmschuh für Innovationen.
In letzter Zeit wird auch gerade großen Firmen immer mehr der Vorteil Freier Software und offener Entwicklung bewußt; so hat beispielsweise das IBM Deep Computing Institute mittlerweile den Sourcecode zur Visualisierungssoftware Data Explorer im Netz verfügbar gemacht [6]. Das verstärkte Auftreten kommerzieller Freier Software zeigt, daß die Wirtschaft dabei ist, sich auf die Erfordernisse des neuen Mediums einzustellen. Dies über gesetzliche Regelungen fördern zu wollen ist lobenswert, ein Patentrecht für Programmkonzepte geht jedoch in die falsche Richtung.
Das Medium Computer unterliegt anderen Gesetzmäßigkeiten als die traditionelle Industrie. Das angestrebte Patentrecht würde hierbei lediglich die Symptome kurieren; dabei ist das eigentliche Problem doch, wie die Konzepte der Wirtschaft an die Erfordernisse des neuen Mediums angepasst werden können und nicht, wie man das neue Medium gewaltsam in überholte Strukturen pressen kann.
Mehr Informationen findet ihr auf der Seite des Fördervereins für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) [7], bzw. auf der Webpage [8] der Eurolinux-Allianz, welche eine Gemeinschaftsinitiative von AFUL [9] (ein französischer Verband) und des FFII ist.
Auch wenn dieser Beitrag das übliche Maß gesprengt hat, so hoffe ich doch, die Problematik und Gefahr eines solchen Patentrechts vermittelt zu haben. Meine Bitte an jeden von Euch ist, sich einen Politiker Eurer Wahl zu suchen und ihm diese Kolumne gemeinsam mit einem entsprechenden Begleitbrief zuzuschicken oder Euch direkt an die obigen Verbände zu wenden.
Doch nun wieder zu Themen mit etwas mehr Praxisbezug. Anfangen möchte ich hierbei mit
GNU Smalltalk
ist die GNU Implementation von Smalltalk-80 [10]. Allgemein handelt es sich bei Smalltalk um eine objektorientierte Programmiersprache mit einer eher ungewöhnlichen Syntax; Details hierzu können in den relativ umfangreichen FAQ Dokumenten auf der Webpage nachgelesen werden [11].
Nachdem die 1.1.5 Release von GNU Smalltalk bereits 4 Jahre her ist, hat der neue Maintainer Paolo Bonzini nun angekündigt, demnächst die Version 1.6. zu veröffentlichen. Die neue Version zeichnet sich vor allem durch einen stabileren und bis zu fünf mal schnelleren Interpreter, eine komplettere Smalltalk Syntax und eine bessere Klassenbibliothek aus. Außerdem wurde die Portabilität der User-Interfaces erhöht, so können nun auch externe C-Module zur Laufzeit eingebunden werden.
Es ist geplant, GNU Smalltalk um einen Scripting-Level ähnlich wie bei Tcl, Perl oder Python zu erweitern und die Funktionalität auch auf TCP/IP Sockets und Regular Expressions auszudehnen.
Weiter geht es diesen Monat mit einem Programm zur graphischen Darstellung von Daten und Funktionen.
Xpplot
von Pavel Pokorny aus Prag ist aufgrund der Tatsache, daß es nur aus einem einzelnen C-Sourcecode File besteht [12], sehr einfach zu installieren. Überhaupt kann Einfachheit als das bestimmende Prinzip betrachtet werden. Es gibt lediglich zwei Seiten an Hilfetext und einige selbsterklärende Funktionen. Dabei bietet xpplot jedoch eine interessante Auswahl an Möglichkeiten.
So können beispielsweise fortlaufende Datensätze angezeigt werden, um die Entwicklung eines laufenden Projekts zu visualisieren. Auf Mausklick gibt xpplot die Koordinaten das angewählten Punktes aus; dies ermöglicht es beispielsweise, xpplot in einer Pipe zu benutzen, um interessante Punkte an ein anderes Programm zu übergeben. Zudem ist xpplot Script-fähig und unterstützt die Postscript-Ausgabe von Daten.
Das Programm hat seinen Ursprung in der Wissenschaft, es wurde 1991 ursprünglich für die numerische Analyse nichtlinearer dynamischer Systeme in der Mathematik entwickelt. Da xpplot der GPL unterliegt, kann es auch sehr gut in eigene Projekte eingebunden werden.
Pläne für die weitere Entwicklung beinhalten eine Library-Version von xpplot und eine erweiterte numerische Funktionalität, damit es auch direkt Matrizenrechnung, numerische Integration und andere Methoden zur Verfügung stellen kann.
Schließen möchte ich mit einer Kurzmeldung aus Finnland, das mal wieder die Nase vorne zu haben scheint. Von dort kontaktierte mich Mikko Markus Torni, um mich darüber zu informieren, daß er dabei ist, die erste GNU User Group aufzubauen. Interessenten und mögliche Sponsoren sind herzlich eingeladen sich per Email [13] an ihn zu wenden.
Natürlich möchte ich nicht die obligatorische Aufforderung vergessen, daß diese Kolumne vor allem auch durch Feedback getragen wird, also spart nicht mit Ideen, Fragen, Anregungen und Kommentaren, die Adresse findet sich bei den Infos [1].
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Updated: 5 Aug 1999 greve