Willkommen zu Georg´s Brave GNU World. Da ich mich in den letzten Monaten stark auf die technischen Aspekte konzentriert habe, wird diese Ausgabe etwas stärker auf die philosophische Seite Freier Software eingehen.
Warum Freie Software schreiben?
Diese Frage stellte ich vor zwei Monaten und auch wenn es dabei keine großen Überraschungen gab, habe ich einige interessante Antworten erhalten. Eines der vorherrschenden Motive ist der Wunsch, den Leuten zu helfen. Dies ist vermutlich der Grund, der dem Großteil am naheliegendsten und gleichzeitig am unheimlichsten erscheint. Doch man kann diesen Altruismus auch von einer anderen Seite betrachten: Es wird nichts Neues geschenkt, sondern nur der eigentliche Zustand wieder hergestellt. Dies hat Phil Garcia meiner Ansicht nach gut ausgedrückt: "Ich arbeite an Freier Software, denn die Beschränkung der Benutzung von Software geht gegen meine Prinzipien. [...] Rechtliche Beschränkungen von Software machen aus einer von sich aus unbegrenzten Resource effektiv eine begrenzte." Was mich übrigens persönlich in diesem Zusammenhang fasziniert, ist die Tatsache, daß es gleichzeitig auch aus vollständig nicht-altruistischen Gründen Sinn macht, an Freier Software zu arbeiten; doch das sollte wohl besser getrennt behandelt werden.
Altruismus ist jedoch bei weitem nicht der einzige Grund, warum Leute an Freier Software arbeiten. Ganz weit oben auf der Liste steht ebenfalls der Wunsch, Software zu schreiben, die sinnvoll ist und auch benutzt wird. Dies mag zunächst etwas merkwürdig klingen, aber die Arbeit an Freier Software verschafft den Entwicklern in den meisten Fällen eine Befriedigung, die sie bei proprietärer Software kaum finden können. Um es mit den Worten von Francesco Potorti zu sagen: "Ich programmiere gerne und mag es, reelle Dinge zu tun; d.h. Dinge die funktionieren. Die Entwicklung Freier Software ist keine verschwendete Zeit, da meine Arbeit von vielen Leuten benutzt werden wird."
Ebenfalls vorhanden war der Ansatz, die altruistischen und soziologischen Seiten zu vergessen und sich auf die technische Seite zu beschränken. Danach ist Software lediglich ein Werkzeug - ähnlich wie eine medizinische Methode oder eine juristische Vorgehensweise. Diese Sicht vertrat zum Beispiel Jimen Ching recht eloquent: "Wir müssen Software als ein Werkzeug betrachten, nicht als eine Ansammlung von Umsetzungen einer Idee. Wenn wir dies tun ist es nur natürlich, daß Software frei sein sollte. Damit meine ich frei wie in Freiheit und nicht den Preis."
Natürlich wurden noch mehr Motive genannt. Zum einen ist da die Eigenwerbung, da Autoren Freier Software durch ihre Leisungen auf sich aufmerksam machen, was ihren Marktwert erhöht. Außerdem bietet Freie Software einem die Möglichkeit, in interessanten Gebieten auf dem laufenden zu bleiben, bzw. den aktuellen Stand mit zu definieren. Dieser Schulungsaspekt ist ein wesentlicher Grund, warum die Länder die Entwicklung Freier Software stärker fördern sollten. Durch eine starke und aktive Freie Software Gemeinde wird fast automatisch ein Pool an dringend benötigten Fachkräften herangezogen.
Nach dieser Einführung in die Gründe der Entwickler, sich an Freier Software zu beteiligen, möchte ich gerne auf ein Konzept eingehen, welches mir schon länger im Kopf herumspukt. Einer der wichtigsten Punkte am GNU Projekt ist nicht allein die Tatsache, daß es Freie Software ganz wesentlich geprägt hat, sondern die sozialen Implikationen, die sich daraus ergeben. Um zu benennen, was diesen Teil des GNU Projektes ausmacht, möchte ich gerne den - meines Wissens nach bisher noch nicht vorhandenen - Begriff der "Informationellen Menschenrechte" einführen.
Informationelle Menschenrechte
Um klarzumachen, wie ich zu diesem Begriff gekommen bin, sollte ich vermutlich am Anfang meines Gedankenganges beginnen.
Bereits vor ein paar Jahren sagten Soziologen voraus, daß sich über die globale Vernetzung virtuelle Länder bzw. "Stämme" bilden könnten. Soweit ist es bisher noch nicht gekommen - bereits Wirklichkeit ist jedoch die Tatsache, daß sich für viele Menschen ihr Arbeitsplatz vom Virtuellen dominiert wird und auch die sozialen Aktivitäten verlagern sich immer mehr ins Internet.
Dies bedeutet, daß die Menschen mehr und mehr von dem, was sie ausmacht, in den virtuellen Raum des Internets transferieren. Zum Teil wichtige Aspekte der Persönlichkeit basieren auf der globalen Vernetzung. Bereits hier ist es einfach, den Bezug zu den Menschenrechten herzustellen.
Nimmt man zum Beispiel das Menschenrecht auf freie Wahl des Wohnsitzes, so besagt dies effektiv, daß niemand gegen seinen Willen gezwungen werden darf, an einem bestimmten Ort zu wohnen. Betrachtet man Software als "Wohnsitz des Geistes", so wird man durch proprietärer Software gezwungen, einen von drei oder vier vorgefertigten Wohnsitzen zu nehmen; durch Vorrangstellungen und "Standardsoftware" ist diese Auswahl oft sogar noch beschränkter.
Überspitzt man diese Analogie, so kommt proprietäre Software einem Zustand gleich, in dem alle Menschen gezwungen werden, in identischen Reihenhäusern zu leben. Jedes dieser Häuser besitzt Räume, die für den Bewohner Sperrgebiet sind und der Bewohner hat weder Kontrolle noch Wissen darüber, was in diesen Räumen geschieht oder wer ihn gerade überwacht. Selbst das Auswechseln einer einfachen Glühbirne muß durch einen speziellen Servicetechniker geschehen. Umbauten sind unter massiver Strafandrohung verboten und wenn ein Freund obdachlos wird, darf man ihm nicht dabei helfen, ein Haus zu bauen, da man sonst als "Häuserpirat" Gefängnis riskiert.
Zugegeben - dies ist sehr extrem ausgedrückt, doch wir nähern uns einem Punkt, an dem Kommunikation ebenso wichtig ist wie das Wohnen selbst. Wer die Software kontrolliert, hat damit Macht über die Persönlichkeit der Menschen.
Den Zusammenhang zu dem Recht auf eine freie Meinung und freie Äußerung derselben ist geradezu banal. Wenn Kommunikation auf proprietäre Software angewiesen ist, ist es nur ein kleiner Schritt zur Zensur und Meinungsbeeinflussung.
Die Lösung für diese Probleme ist einfach: Software darf nicht kontrolliert werden. Jeder User muß das Recht haben, die Programme gemäß seiner persönlichen Bedürftnisse zu modifizieren und sie weiterzugeben. Eine Voraussetzung dafür ist daher auch, daß der Sourcecode frei verfügbar sein muß. Dies entspricht ziemlich genau der Definition von Freier Software, wie sie vom GNU Projekt propagiert wird und ich hoffe, es ist nun verständlich, warum ich diesem Zusammenhang den Namen "Informationelle Menschenrechte" gegeben habe.
Um diese Idee weiter zu verbreiten, ist es unbedingt erforderlich, mehr über Freiheit zu sprechen, denn nur dann können die einfachen Benutzer eine entsprechend qualifizierte Wahl ihrer Software treffen.
Damit möchte ich mit diesem Themekomplex abschließen. Ich hoffe, daß dieser recht ausführliche Blick hinter die Kulissen ein besseres Verständnis mancher Zusammenhänge ermöglichen wird. Weiter geht es mit einem Thema, das vor allem für Entwickler interessant sein dürfte.
GNU Nana
GNU Nana [5] von Phil Maker ist eine Library, die einige bewährte Techniken zur Erhöhung der Verläßlichkeit von C und C++ Programmen zur Verfügung stellt. Zu den gebotenen Features zählen im Wesentlichen erweitertes Logging und "assertion checking", sowie eine Unterstützung für "Design by Contract" [6].
GNU Nana unterstützt zusätzlich Echtzeit-Messungen, bietet ein Programm zur Erstellung von Performance-Statistiken für Codefragmente [7] und Möglichkeiten, den Programmablauf zu verfolgen, ohne den Code dafür ändern zu müssen.
Insgesamt bietet sich dem Entwickler eine gute Ansammlung von Funktionen, die helfen können die Qualität der geschriebenen Software zu erhöhen.
Damit komme ich so langsam zum Ende, nur ein paar Dinge wollte ich noch kurz anschneiden.
letzte Worte
Zunächst einmal möchte ich mich noch einmal für das rege Interesse an der "We run GNU" [4] Initiative bedanken. Es gab bereits die Idee, ich solle "Brave GNU World" T-shirts anbieten. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob das Interesse daran groß genug wäre und bin daher auf Feedback angewiesen. Sollte ich genug Mail von Interessenten erhalten, werde ich es mir auf jeden Fall überlegen.
Außerdem hat Gary Lawrence Murphy mir geschrieben, daß er sich eine Art "Läuft mit GNU" Icon für Software-Verpackungen wünscht. Sein erster Vorschlag war ein rundes Motiv mit dem Kopf eines GNU in der Mitte und dem Schriftzug "Free Software Foundation - GNU's Not Unix - It's GNU". Vielleicht fällt ja jemandem etwas dazu ein.
Das soll es aber nun gewesen sein. Anregungen, Ideen, Fragen und Informationen über neue Projekte bitte an die normale Adresse [1].
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Copyright (C) 1999 Georg C. F. Greve and Linux-Magazin
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Last modified: Sun Jan 16 13:52:55 CET 2000