Willkommen zur neunten Ausgabe von Georg´s Brave GNU World. Den Anfang macht diesen Monat ein Projekt aus Berlin.
Linux-Lab Projekt
Gerade Laboratorien, bei denen die Verläßlichkeit der Datennahme außerordentlich wichtig ist, waren lange gezwungen, DOS bzw. Windows einzusetzen. Aus diesem Grund wurde 1994 das Linux-Lab Projekt von Claus Schroeter ins Leben gerufen.
Das Projekt selber sollte als ein Pool von Applikationen, Tools und Know-How verstanden werden, mit dessen Hilfe die unterschiedlichste Hardware zur Datennahme und Prozeßkontrolle über den Linux Kernel angesteuert werden kann.
Auf dem Webserver [5] finden sich daher neben einigen Whitepapers Links zu den einzelnen Projekten, die dieses Ziel auf unterschiedlichen Wegen ansteuern. Ein Ansatz ist beispielsweise das Linux Device Driver Development Kit (LDDK). Hierbei wird über eine spezielle Skriptsprache, die Driver Description Language (DDL), ein C-Sourcecode generiert, der compiliert direkt in den Kernel eingebunden werden kann. Über den Simplified Wrapper and Interface Generator (SWIG) können dann die Funktionen des Treibers in eigenen Programmen verwendet werden.
Ein anderer Ansatz ist das Control Measurement Device Interface (COMEDI) von David Schleef, welches versucht, ein standardisiertes Interface zu schaffen. Dieses System ist modular in zwei Schichten aufgebaut und ermöglicht es dem Programm, über einfache ioctl, read und write Aufrufe mit der Hardware zu kommunizieren.
Für die Zukunft wird geplant, die einzelnen Projekte in einer standardisierten Entwicklungsumgebung zusammenzuführen, um die Aufgaben von Hardware-Support bis hin zur Entwicklung von Applikationen zu vereinfachen.
Zusammen mit den erweiterten Echtzeit-Fähigkeiten des Linux Kernels ergibt sich aus dem Linux-Lab Projekt die Möglichkeit, gerade bei kritischen Anwendungen auf die Zuverlässigkeit und Stabilität von GNU/Linux zurückgreifen zu können.
Das nächste Projekt dürfte interessant sein für die Musiker oder Musikliebhaber, die gelegentlich darauf angewiesen sind, Noten zu schreiben.
GNU LilyPond
LiliPond [6] von Jan Nieuwenhuizen und Han-Wen Nienhuys ist das (La)TeX-Äquivalent für Musik. Ähnlich wie bei TeX wird dem Programm über eine relativ abstrakte Kommandosprache der gewünschte Inhalt mitgeteilt und das Programm übernimmt die eigentlichen Aufgaben des Schreibens und Setzens.
Für TeX-Laien mag das zunächst recht kompliziert klingen, doch es bietet viele Vorteile und im Allgemeinen möchte man es nach einer kurzen Eingewöhnungsphase nicht mehr missen. Es liegt nahe, daß GNU LilyPond auch über eine gute Anbindung zu LaTeX verfügt - die Kombination sollte keine Probleme bereiten.
Allerdings gibt es noch einiges zu tun. Wenn auch die Pop-Musik und "gesetztere" Klassik wie Mozart und Bach keine Probleme bereitet, so wird das Setzen von klassischer Musik mit abnehmendem Alter immer komplizierter. Der Plan für die nähere Zukunft ist daher, von fest einkompilierten auf dynamisch veränderbare Satzregeln umzustellen. Um dies zu erreichen ist der Umstieg von C++ zu GUILE das vorrangige Ziel.
Auch das nächste Projekt kommt aus dem Satzbereich.
GNU Texinfo
Karl Berry, der aktuelle Maintainer von GNU Texinfo [7], hat die Version 4.0 freigegeben.
Texinfo ist ein System zur Erstellung von Dokumentation, das erlaubt, aus nur einem Quelldokument in einem TeX-basierten Format DVI bzw. Postscript, PDF, HTML, Info sowie einfaches ASCII zu erzeugen. Außerdem enthält es einige Funktionen, die speziell für Handbücher geeignet sind.
Gerade weil es erlaubt, pro Applikation nur ein Dokument zu pflegen, ist die Dokumentation von Programmen auch das Hauptanwendungsgebiet. Richard M. Stallman schrieb die erste Version von Texinfo bevor er das GNU Projekt ins Leben rief; daher war es von Anfang an dabei und wurde zur bevorzugten Form der Dokumentation von GNU Projekten.
Für die Zukunft ist geplant, den Ausgabeformaten DocBook und gesplittetes HTML hinzuzufügen und 8-bit Eingabe zu ermöglichen. Allen Autoren, die nach einer geeigneten Dokumentationsform für ihr Projekt suchen, kann ich es nur ans Herz legen.
Weiter geht es mit einem Projekt von Paul Sheer, der um Feedback bittet.
Mirrordir
Bei Mirrordir handelt es sich um eine Sammlung von Utilities, die eine Alternative zu Projekten wie ssh bietet. Da es der GPL untersteht und vollständig auf patentierte Algorithmen verzichtet, ist es frei einsetzbar.
Die Autoren Paul Sheer und James R. Van Zandt wollten mögliche Exportbeschränkungen vermeiden, daher kann Mirrordir ohne eingebaute Kryptographie compiliert werden. Beim ersten Programmstart werden die Kryptographie-Module dann per FTP heruntergeladen.
Das Mirrordir-Paket besteht aus drei Komponenten. Pslogin ist ein remote-login Programm mit starker Kryptographie (Diffie-Hellman), Forward ermöglicht es, verschlüsselte TCP/IP Kanäle über normale Verbindungen zu realisieren und dann gibt es noch das namensgebende Programm Mirrordir.
Da das Mirrordir Programm es erlaubt, komplette Verzeichnisse mit allen Eigenschaften (Ownership, Permissions, Access Time, Links) zu kopieren, bzw. diese direkt in ein tar-Archiv zu leiten, ist es eine brauchbare Alternative für Backup-Lösungen oder RAID-Systeme.
Das Paket ist übrigens bereits praxiserprobt. Paul Sheer verwendet es auf einem hochverfügbaren Mail und Webserver mit Proxy, von dem alle sechs Stunden ein Backup über Mirrordir gefahren wird. Sollte der Server ausfallen, wird er abgeschaltet und der spiegelnde Server wird neu gestartet. Innerhalb von zwei Minuten sind die Services wieder online und es gibt niemals mehr als sechs Stunden Verlust. Wer also Lust hat, sich mal damit zu beschäftigen, kann Mirrordir per FTP [8] beziehen.
Der nächste Beitrag wendet sich hauptsächlich an die japanischen Leser der Brave GNU World, kann aber auch als Anregung für Leser anderer Nationalitäten verstanden werden.
GNUjdoc
Bei gnujdoc [9] handelt es sich um ein offizielles GNU Projekt, welches von OKUJI Yoshinori und TAKAO Yamashita ins Leben gerufen wurde. Ziel dieses Projektes ist es, alle GNU Dokumente ins Japanische zu übersetzen.
Bisher bestand zumeist das Problem, daß japanische Übersetzungen schwer zu finden waren und es keine einheitliche Installationsanleitung gab. Außerdem liefert makeinfo einen falschen Zeilenumbruch und die Info-Files müssen aus diesem Grund zumeist im Emacs erzeugt werden, was wiederum einen gewissen Kenntnisstand voraussetzt. Der aktuelle Zustand kann also bestenfalls als unbefriedigend bezeichnet werden.
Kernstück des gnujdoc Projekts ist das zentrale CVS Repository [10], das allen interessierten offensteht. Da es einen zentralen Sammelpunkt gibt, hoffen die Initatoren, den unterschwelligen Zwang zur dauerhaften Pflege eines übersetzten Dokuments beseitigt zu haben. Jeder kann sich entsprechend seiner Zeit einbringen oder auch wieder ganz davon zurückziehen.
Dinge an denen neben der Übersetzung gearbeitet werden muß, sind die Internationalisierung von makeinfo und eine bessere Möglichkeit der automatischen Installation, wer also Lust hat, sich daran zu beteiligen, ist herzlich willkommen. Das momentane Hauptproblem ist laut OKUJI Yoshinori jedoch der Mangel an Übersetzern.
Damit komme ich zum letzten Teil für diesen Monat, der sicherlich den einen oder anderen überraschen wird. Gerade weil dieses Projekt nicht direkt Computer-bezogen ist fand ich es interessant, denn der GNU Gedanke umfasst nicht nur Programmcode.
Osprey
Bei Osprey handelt es sich um ein vollständig analoges, auf Papier, Bleistift und Würfeln basierendes Rollenspiel von Chris Goodwin. Das Spiel ist im GNU Sinne "Frei", denn es untersteht der Open Content License (OPL) [11], die eine der GNU General Public License verwandte Lizenz für Dokumente darstellt.
Das Spiel ist Punkte- und Fähigkeitsbasiert. Ähnlich wie bei "Star Wars" von Westend und verwandten Systemen bestimmt die Anzahl der Punkte die Anzahl der verwendeten Würfel und ist nicht nur eine abstrakte Zahl.
Der aktuelle Zustand wird vom Autor als "pre-alpha" bezeichnet, es ist zwar spielbar aber nur mit ein wenig gutem Willen. Das erklärte Ziel ist daher, zunächst eine "stabile Release" fertigzustellen. Danach plant Chris Goodwin, eine große Zahl an Abenteuer- und Quellenbüchern zu schreiben, um letztendlich auch den Rollenspiel-Markt analog zum Software-Markt mit "Freier Rollenspielware" aufzurollen.
Mitarbeit ist dabei ausdrücklich erwünscht - wer also mit den bisherigen Systemen unzufrieden ist oder schon immer am Entwurf eines Rollenspiels mitarbeiten wollte, dem kann ich die Webpage [12] empfehlen.
Damit bin ich auch für diesen Monat am Ende, wie immer bitte ich Euch um Anregungen, Kommentare, Ideen und Berichte über neue Projekte, die Adresse sollte den meisten zwar mittlerweile geläufig sein, zur Sicherheit steht sie aber auch in den Infos [1].
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Copyright (C) 1999 Georg C. F. Greve and Linux-Magazin
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Last modified: Sun Jan 16 13:53:07 CET 2000